Jugendliteraturpreis 2023 - Workshop der Jugendjury in Fulda

(Anneke Förstel, Q2) Bald ist es wieder soweit! Das Lesejahr 2022 neigt sich dem Ende zu.

Die sechs Jugendjurys aus Deutschland, also auch unser Leseclub Schilleratur, müssen im kommenden Frühjahr ihre Favoriten für den Jugendliteraturpreis 2023 nominieren. Dazu hat nun im November ein Treffen in Fulda stattgefunden, zu dem jeweils ein*e Schüler*in und ein*e Teamer*in der Jugendjurys angereist sind.

Schon der Tagungsort, die Kinder-Akademie Fulda, bot viel Inspiration für anregende Gespräche und Austausch über die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur. Es wurde hitzig und fast philosophisch über mögliche Favoriten gesprochen und wieder neue Lesebegeisterung entfacht. Ein bisschen Zeit haben wir noch, um weitere Werke zu sichten, dann müssen wir unseren Favoriten wählen, der zusammen mit den Favoriten der fünf anderen Leseclubs im Frühjahr auf der Leipziger Buchmesse 2023 verkündet wird. Bis dahin sind unsere Toptitel noch strengstens geheim und wir dürfen noch nichts verraten.

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Vielleicht bekommt ihr gerade Lust, auch wieder mal was zu lesen? Bei Keksen und Kakao in der Vorweihnachtszeit geht das doch besonders gut und sonst sind Weihnachten und die Ferien nicht weit: Vielleicht schreibt ihr noch den ein oder anderen Buchwunsch auf eure Geschenkeliste?

2023 startet für uns als Jugendjury auch das neue Lesejahr: Wir sichten die neuesten Bücher für den Jugendliteraturpreis 2024... Spannend!

Wer Lust hat, ist herzlich zu unserem Leseclub eingeladen! Wir treffen uns immer freitags von 15:30-17:00 Uhr in der neuen Bibliothek.

Komm vorbei! Wir freuen uns auf deinen Besuch!

Euer Leseclub Schilleratur


Lesetipps

mein-letzter-livestream-und-alle-schauen-zu
Heul doch  nicht du lebst ja noch
Als die Welt noch uns gehorte
Hannas Regen
the-summer-of-lost-letters

1. Erin Jade Lange: Mein letzter Livestream und alle schauen zu, 2022 (Arena Verlag)
Auf den ersten Blick wirkt alles – Buchcover, Klappentext, Story –reißerisch und irgendwie zu dick aufgetragen: ein außergewöhnlich dicker Junge (423 Pfund!), „Butter“ genannt, der Außenseiter, beschließt, soviel zu essen, bis er stirbt und das alles online im Livestream vor den Mitschüler*innen, die ihn sowieso nur auf sein Äußeres reduzieren, sich über ihn lustig machen und ihm Sprüche drücken. Viel Klischee, viel Sensation – auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick gibt man diesem Buch eine Chance, wird man vollkommen eingenommen von Butters Feinsinn, Charme und Witz. Die Geschichte wird einfühlsam, aber nicht sentimental aus Butters Sicht erzählt und vermittelt den Leser*innen glaubhaft und spürbar das Dilemma, in das Butter sich manövriert: Nach der Ankündigung seines makabren Vorhabens bekommt er nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Anerkennung. Zieht er seinen Plan durch, verliert er sein Leben, das für ihn inzwischen so viel lebenswerter geworden ist – zieht er den Plan nicht durch, verliert er die Anerkennung, für die es sich für ihn überhaupt zu leben lohnt.

2. Kirsten Boie: Heul doch  nicht, du lebst ja noch, 2022 (Oetinger Verlag)
Durch die aktuelle weltpolitische Lage sind wir täglich mit Kriegsszenen konfrontiert, welches man sich noch vor einem Jahr kaum hätte vorstellen können. Das Buch schildert die Auseinandersetzung von drei unterschiedlichen Charakteren, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Traute, Hermann und Jakob wurden durch 12 Jahre Kriegserfahrung mit ideologischen und propagandistischen Ideen und Gedanken konfrontiert, welches deutliche Spuren in ihren Verhaltensweisen hinterlassen hat. Hermann ist trotz Verletzung seines Vaters noch sehr hitlerbegeistert und leugnet die Greueltaten des Hitlerregimes. Jakob musste sich bis Ende des Krieges verstecken und seine Mutter wurde aufgrund der jüdischen familiären Situation verschleppt. Traute kämpft mit einer ideologischen Zerrissenheit, da in ihrem Zuhause Flüchtlinge untergebracht sind, welches sie belastet.

Insofern ist das Buch wiederum eine Auseinandersetzung mit den Wirren einer Zeit, den Herausforderungen an jeden Menschen und aktueller denn je.

3. Liz Kessler: Als die Welt noch uns gehörte, 2022 (Fischer Verlag)
Wie nah sind sich in den Wirren eines Krieges Angst und Hoffnung als auch Verrat und Freundschaft. So auch für die zu Beginn der Geschichte unzertrennlichen Freunde Max, Leo und Elsa. Leo und Elsa sind beide jüdischer Abstammung und geraten in lebensbedrohliche Schwierigkeiten mit ihren Familien. Wellen von Angst und familiärer Zerstörung werden behutsam und emphatisch dargestellt. Die Situationen und Schicksale der Familien gehen unter die Haut, lassen den Leser erschauern bei der Brutalität und der egoistischen Diffamierung der Menschen. Erschreckend ist die Veränderung der Menschen durch das brutale Hitlerregime, welches sich über Menschen erhebt und diese willenlos zerstört. Der Charakter von Max wird als zerrissen dargestellt, zwischen der Überzeugung seines Vaters, der ihn immer wieder unter Druck setzt und seinen Erinnerungen und phasenweise auch Zweifel an seinen Taten. Hat man Mut, sich gegen die Diktatur von außen zu wehren oder ist man Mitläufer in dieser brutalen Zeit?

4. Susan Kreller: Hannas Regen, 2022 (Carlsen Verlag)
Freundschaften zu finden, sich auszutauschen, einander zu vertrauen sind immer wieder ein Schwerpunkt im menschlichen Zusammenleben. So auch für Josefin, die als Außenseiterin der Klasse in einer schwierigen Rolle ist. So erhofft sie sich von der neuen Mitschülerin Hanna, der sie im Regen begegnete, wo Hanna sich sehr auffällig verhalten hat, einen neuen Freundschaftsbeginn.  Dadurch dass Hanna sogar die Sitznachbarin von Josefin wird, entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden Mädchen, die durch Vermutungen und auch Fehleinschätzungen geprägt ist. Die sensible und metaphorische  Sprache lässt lebendige Bilder erscheinen, die die Suche der beiden Mädchen nach sich selbst begleiten. Freundschaft und persönliche Wahrnehmungen lassen ein Spannungsbild erscheinen, welches sich selbst am Schluss nicht ganz auflöst, so dass der Leser Raum für eigene Assoziationen hat.

5. Hannah Reynolds: The Summer of lost Letters, 2022 (Carlsen Verlag)
Abby stößt auf eine Kiste voll mit alten Liebesbriefen, adressiert an ihre vor kurzem verstorbene Großmutter. Um ihrer Neugierde nachzugehen, reist sie zu der Absenderadresse und landet auf der Insel Nantucket. Ihr Wunsch mehr über die Beziehung ihrer Großmutter mit dem Absender der Briefe zu erfahren, bringt sie dazu, einen Catering-Job in dessen Villa anzunehmen. Während sie an dem Abend nach Hinweisen auf ihre Großmutter sucht, erwischt Noah, der charmante Enkel des Briefschreibers, sie dabei. Zuerst ist er ihr gegenüber skeptisch und will sie von seinen Großeltern fernhalten, um Konflikte in seiner Familie zu vermeiden, gleichzeitig wird er selbst jedoch neugierig und will wissen, was damals passiert ist. So kommt es, dass beide zusammen weiter in der Vergangenheit nach Antworten suchen. Die beiden kommen sich bei ihrer Suche immer näher, doch ungeahnte Geheimnisse seiner Familie kommen dabei ans Licht.