Wir treffen den ehemaligen Kölner Juden Manfred Simon per Zoom

(Jana Eckart, 9c) Am 1. März hatte der 9er Diff.-Kurs Englisch-Geschichte von Frau Kremer ein sehr interessantes Zoom-Meeting mit einem Zeitzeugen.

Manfred Simon hat den Nationalsozialismus hier in Köln als Jude mitbekommen hat. 90 Minuten lang sprachen wir mit dem Mann, der 1939 vor den Nazis fliehen und in die USA emigrieren konnte. Zuvor hatten wir während der Aktionstage im Lern- und Gedenkort Jawne mit Hilfe von älteren Interviews seine Geschichte herausgearbeitet, und dann am Holocaust-Gedenktag bei einer Gedenkveranstaltung am Löwenbrunnen, Jawne, präsentiert. Dass Manfred Simon sich, nachdem er davon gehört hatte, zu einer Videokonferenz bereit erklärt hatte, war deshalb natürlich besonders schön.

Obwohl wir schon vorher einiges über ihn wussten, erfuhren wir noch viele weitere Dinge. Zunächst erzählte von seiner frühen Kindheit, die sehr schön und unkompliziert gewesen war, bis 1933 mit Hitler die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Er berichtete auch von seiner ersten richtigen Begegnung mit den Nazis, bei der er das erste Mal gemerkt hatte, dass er anders war und nicht dazu gehörte. Als kleiner Junge hatte er andere Jungen gesehen, die in ihren Uniformen stolz bei einem Marsch mitgegangen sind. Das hatte ihn damals sehr begeistert, doch als er seiner Mutter sagte, dass er gerne bei den Jungen in den Uniformen mitgehen würde, musste sie ihm erklären, dass er das nicht dürfe, weil er jüdisch war.

Wir hatten vorher im Unterricht auch schon Fragen vorbereitet, die von uns oder unserer Lehrerin während des Zoom-Meetings gestellt wurden, zudem war unter anderem Herrn Simons Sohn anwesend, der auch ab zu etwas fragte oder seinen Vater auf erwähnenswerte Sachen hinwies. Eine Frage von unserer Seite war zum Beispiel, ob er damals als Kind realisieren konnte, wie groß die Gefahr wirklich war. Natürlich hatte er nicht mit dem gerechnet, was im Holocaust passieren würde, aber etwas in diesem Ausmaß hatte wohl fast niemand erwartet. Aber trotzdem hatte er grundsätzlich gewusst und auch am eigenen Leib erfahren, dass es in Deutschland für Juden immer schwieriger und gefährlicher wurde. Er persönlich hatte immer Angst vor den Jungs aus der Hitlerjugend. So erzählte er uns zum Beispiel, dass er immer, wenn er zu einer Straßenbahn gegangen ist, etwa um seine Freunde zu besuchen, schauen musste, ob auf der Straße irgendwelche „Gangs“ herumlungerten, die jüdischen Kindern auflauerten und eigentlich alles tun konnten, was sie wollten.

Dr Manfred Simon

Natürlich erinnert Herr Simon sich auch an die Reichsprogromnacht, eines der Ereignisse, bei denen die Gefahr in Deutschland wohl am deutlichsten spürbar waren. Uns erzählte er, dass sein Vater an diesem Abend lange nicht nach Hause gekommen ist, weil sie gehört hatten, dass es Verhaftungen gab und die Familie es deshalb für besser befunden hatte, wenn er nicht im Haus zu finden wäre. Dass es Konzentrationslager gab, wusste man zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall grundsätzlich schon.

Die Fragen, die wir Manfred Simon stellten, bezogen sich natürlich nicht nur auf seine Zeit in Nazi-Deutschland, sondern auch auf seine Ausreise und sein anschließendes Leben in den USA. Nur er und seine Eltern schafften es, das Land zu verlassen, seine Großeltern zum Beispiel blieben zurück. Mit einem Schiff war die Familie von den Niederlanden aus zuerst nach England und dann weiter bis nach New York gefahren. Für Herrn Simon war diese Schiffsfahrt als Kind auch sehr aufregend. In Amerika konnte er dann schließlich auch weiterhin die Schule besuchen, auch wenn er dort anfangs große Schwierigkeiten mit der Sprache hatte. Er wurde vorerst runtergestuft, lernte in seiner Klasse aber nicht wirklich Englisch, weil er dort tatsächlich nur von anderen Migranten umgeben war. Schließlich wurde aber bemerkt, dass er sehr gut in Mathe war, und so konnte er wieder nach oben rücken.

Zu seinem Bezug zu Deutschland erzählte er uns, dass er damals natürlich davon überzeugt war, dass alle Deutschen Nazis wären, und deshalb auch gehofft hatte, in den USA einmal der Airforce beitreten und dann Deutschland bombardieren zu können. Nachdem der Krieg vorbei war, er und seine Familie kannten noch nicht die Ausmaße des Holocausts, wurde bei ihnen erst einmal gefeiert. Später dann hörte er vom Tod seines Großvaters, der in Auschwitz ums Leben gekommen ist, nachdem er vorher eine Zeit lang im Lager Theresienstadt gewesen war. Von dort kam auch ein ehemaliger Mitgefangener von Manfred Simons Großvater zu ihnen nach Amerika und erzählte der Familie von allem und gab ihnen ein paar Sachen seines Großvaters, die er versteckt behalten hatte.

Zuletzt befragten wir Herr Simon auch noch zu seiner Sicht auf heutigen Antisemitismus, hier erzählte er kurz von antisemitischen Gruppen in den USA. Über Deutschland sagte er außerdem, dass es heute auch aus seiner Sicht ein komplett anderes Land als damals wäre. Auch verglich er noch den Krieg in der Ukraine mit der damaligen Situation: Hierzu sagte er, dass er beobachtete, dass die Leute in der Ukraine aufstehen, ganz anders als es damals war. Wenn die Deutschen gegen die Nazis aufgestanden wären, so meinte er, dann hätte man den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verhindern können. Nachdem wir schließlich sehr viel Spannendes gehört hatten, war das Zoom-Meeting nach anderthalb Stunden zu Ende. Es war wirklich beeindruckend, auch an wie viel von dem, was vor so langer Zeit passiert ist, sich Manfred Simon noch erinnern konnte. Bis heute lebt er in Amerika, wo er jetzt in Florida wohnt, aber trotzdem kennt er beispielsweise noch seine frühere Adresse, und die deutsche Sprache beherrscht er immer noch einwandfrei. Denn auch wenn unser Interview auf Englisch geführt wurde, zeigte er zwischendurch, dass er auch noch Deutsch spricht, einmal sagte er sogar etwas auf Kölsch. Es war toll, dass wir die Möglichkeit hatten, mit Manfred Simon zu sprechen: Es ist natürlich auch nochmal etwas ganz anderes, Berichte eines Zeitzeugen live zu hören, der diese Zeit vor mehr als 80 Jahren erlebt hat. Diese Videokonferenz wird uns auf jeden Fall noch lange im Gedächtnis bleiben.


Mehr über Manfred Simon könnt ihr auf folgender Seite erfahren https://www.leftovers.eu